BR2, Sendung vom 4.8.2016. Von: Roland Biswurm.
Sonntags, Hohe Domkirche Mariä Heimsuchung, Augsburg. Wie anderswo auch im Land feiern Katholiken Gottesdienst. In diesen Tagen ist auch Reinhard Gupfinger, 39, aus Linz in Augsburg. Nicht als Tourist, sondern als Klangforscher, als Klanganthropologe, als Medienkünstler.
»Man bewegt sich ja an dem jeweiligen Ort. Man geht an diesen Mauern vorbei und weiß: Dahinter geschieht irgendetwas, darin wird gebetet, aber man geht seltenst hinein und die Grundidee war nun, dies der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Klänge aufzunehmen. Für mich war das ein einzigartiges Erlebnis und ich hab Lust bekommen, das jetzt auch in meiner Heimat zu praktizieren.«
Reinhard Gupfinger ist ein Kind der 90er-Jahre, in und mit der Kultur des Punks sozialisiert. Für ihn sind Klänge Material für Skulpturen, soziale Plastiken, egal aus welchem Kontext sie stammen: Die Einstürzenden Neubauten aus Berlin etwa arbeiten mit Industrieanlagen und dem Lärm, den sie produzieren. Reinhard Gupfinger arbeitet mit sakralen Klängen. Er zeichnet sie auf und macht daraus Reliefs aus Keramik, die dann, im September erst, in der Galerie Beate Berndt in Augsburg ausgestellt werden.
Vereinigung aller Religionen
Heute Abend werden sich im Kunsthaus Abraxas, sagen wir, 200 Menschen versammeln. Sie werden Kopfhörer tragen und ebendies hören können. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Augsburger Hohen Friedensfest, so wünscht sich Reinhard Gupfinger, sollen Baptisten, Buddhisten, Alewiten und Sunniten, Mennoniten, Reformierte und Altkatholische, Orthodoxe und Pfingstler gemeinsam feiern, „Party machen“, abtanzen, aber still und unerkannt: »Silent House of Prayer» ist der ambitionierte Titel dieser Veranstaltung.
»Das ist ja ganz trendy bei Jugendlichen. Das wird eingesetzt im öffentlichen Raum, wo die jungen Leute Party feiern können, ohne die Mitmenschen zu stören und die Jugendlichen können dabei selbst entscheiden, zu welcher Musik sie tanzen.»
Augsburg nimmt den Friedensauftrag nicht nur mit diesem einzigen Feiertag, am 8. August, ganz bewusst wahr. Ein Migrantenanteil von über 40 Prozent, zahllose Glaubensgemeinschaften und ein opulentes Multikulti-Programm während des ganzen Jahres zeugen davon. Im »Silent House of Prayer« kann man nun in die Sounds von neun in Augsburg angesiedelten Glaubensgemeinschaften eintauchen, und womöglich wird dadurch das Interesse geweckt, die Räume, in denen Derartiges stattfindet, auch einmal zu besichtigen. Auch das ist im Übrigen: Friedensarbeit.
»Das Widerständische und Anti – sozusagen – kann sich ja auch umformen in ein Interesse und dazu muss man halt diese Räumlichkeiten erstmal aufsuchen und zunächst mal zuhören. Unser Konzept ist ja, diese ganzen Glaubensgemeinschaften einzuladen, sich auf dem neutralen Boden der Kunst zu treffen und eine Soziale Plastik zu bilden.»